Löwenzahn (taraxacum officinalis)

In meinem Garten wuchern Unmengen von Löwenzahn. Wie oft habe ich das „Unkraut“ früher verteufelt und mir überlegt, wie ich ihm den Garaus machen könnte. Doch je länger ich mich mit diesem Pflänzchen beschäftigte, umso weniger mochte ich es missen. Heute ist Löwenzahn für mich ein unverzichtbarer Bestandteil meines Gartens, ist er doch ein höchst gesunder Allrounder, der sich unglaublich vielseitig integrieren lässt.

Mögen andere Gärtner und Gärtnerinnen an der üppig wachsenden Pracht verzweifeln, ich finde mein Löwenzahn-Feld fantastisch: Die Blätter wandern in Salat, Wildkräuter-Souffle oder –strudel. Die Blüten werden zu Sirup oder einem hautpflegenden Hydrolat verarbeitet, die Wurzeln kommen in Entgiftungstees und als Bitteraroma in die Wildkräuterküche. Und für’s Seelenheil gibt’s eine Blütenessenz nach der Sonnenmethode.


Der "echte Löwenzahn" ist nicht die Heilpflanze!

Zur allgemeinen Verwirrung starte ich mit folgendem botanischem Hinweis: Neben dem Löwenzahn (taraxacum officinalis), von dem hier die Rede ist und der auch unter “Kuhblume”, “Pusteblume” oder einem anderen von 600 volkskundlichen Namen bekannt ist, gibt es noch den sehr ähnlich aussehenden “echten Löwenzahn”. Der heißt botanisch “Leontodon” und ist zwar “echt”, aber trotzdem nicht die Heilfplanze. Ein gutes Unterscheidungsmerkmal ist der Stiel: der ist bei unserer heilenden Kuhblume nämlich hohl.

Kurz zur naturheilkundlichen Wirkung des taraxacum officinalis: Bei Leber- und Gallenproblemen ist Löwenzahn die Heilfpflanze der ersten Wahl. Er wirkt sich positiv auf den gesamten Verdauungsapparat aus, regt sämtliche Ausscheidungsdrüsen wie Leber, Galle, aber auch Milz, Bauchspeicheldrüse und Nieren an. Gerade weil er unsere Entgiftungsorgane stärkt und bei ihrer Arbeit unterstützt, fehlt er in keiner Frühjahrskur. Verantwortlich für diese Wirkung sind in erster Linie die enthaltenen Bitterstoffe. Diese sind für unseren Fettstoffwechsel von großer Bedeutung, weshalb es schade ist, dass Bitteres in der Küche heute so wenig geschätzt wird. Aus vielen Kulturgemüsen wurden die einst vorhandenen Bitterstoffe sogar mühsam weggezüchtet, etwa in Melanzani und Zucchini. (Wer sich alte Kochbücher ansieht, findet noch Hinweise auf das ursprünglich vorhandene Ausmaß der Bitterkeit.)

Getrocknete Wurzeln, Löwenzahn-Sirup und Löwenzahn-Hydrolat – nur einige der vielen Anwendungen.

Gesund durch Bitterstoffe

Jetzt aber zur praktischen Verwertbarkeit des Löwenzahns. Die Blätter enthalten nebst Bitterstoffen auch Schleimstoffe, Flavonoide, Phytosterole und jede Menge Kalium. Der Vitamin A-, C- und E-Gehalt von Löwenzahnblättern liegt um ein Vielfaches über dem gewöhnlicher Salate (bei Vitamin A angeblich um das 40fache!), bei den Proteinen und Mineralien ist es ähnlich. Fleischhauer, Guthmann und Spiegelberger schreiben in “Essbare Wildpflanzen”, dass Löwenzahn etwa achtmal so viel Vitamin C, fünfmal so viel Eiweiß und doppelt so viel Kalium, Magnesium und Phosphor enthält wie Kopfsalat.

Junge Löwenzahnblätter machen sich gut solo als Salat (am besten mit Kartoffeln), wem das zu bitter ist, der kann Löwenzahn auch gut mit anderen Salaten mischen. Gerade wegen der Bitterstoffe verträgt Löwenzahn die Kombination mit süßlichen Partnern: Das Salatdressing wird mit (Löwenzahn-)Sirup ergänzt und für die Löwenzahnsuppe wird eine Portion Karotten mitgekocht.

Wenn man nur ältere Blätter erwischt, wird’s echt bitter, in diesem Fall würde ich die Pflanze 20 bis 30 Minuten wässern. Natürlich gehen dabei wertvolle Vitamine und Bitterstoffe verloren, aber keine Sorge: Es bleibt von allem noch genügend übrig und bei der kulinarischen Anwendung muss man jetzt nicht soooo viel Wert auf höchstmögliche Wirkstoffdosierungen legen wie bei einer medizinischen. Ein anderer Trick besteht darin, einige Pflanzen im Garten unter einem umgestülpten Topf wachsen zu lassen, der nur wenige Löcher hat. Dadurch kommt wenig Licht zum Löwenzahn, es entwickelt sich eine blasse, zarte, kulinarisch aber durchaus interessante Pflanze. Ich gebe diesen Tipp hier wieder, weil er mir interessant erscheint, habe ihn selbst aber nie probiert (mir schmeckt das ursprüngliche Kraut einfach zu gut).


Die Wurzeln enthalten im Frühjahr bei weitem nicht so viel Inulin wie im Herbst (laut Ursel Bührings „Praxis-Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde“ liegt der Unterschied zwischen 2 und 40 Prozent!), aber wenn  man so viel Löwenzahn im Garten stehen hat wie ich, muss einem das wurscht sein: Ohne regelmäßiges Wurzelstechen hätten andere Pflänzchen nur noch wenig Chancen. Außerdem eignen sich die zerkleinerten und getrockneten Frühjahrs-Wurzeln (ebenso wie kleingeschnittene frische Blätter) ganz gut als zartes Bitter-Aroma für die Küche: fein gemahlen reingestreut lassen sich Gerichte, die vielleicht doch etwas zu süß geraten sind, durchaus wieder in die Balance bringen.

Bleiben noch die Blüten. Wie man Löwenzahn-Blütensirup macht, das zu beschreiben erspare ich mich an dieser Stelle, dafür gibt’s wahrlich genug Rezepte auf der Welt. Das Hydrolat verwende ich für die Hautpflege, und ich bin äußerst angetan von der Wirkung (mehr dazu beim Lowenzahnblüten-Hydrolat). Hier die Rezptur für ein pflegendes Feuchtigkeits-Gel, das meine trockene (und manchmal gereizte) Haut echt zum Jubeln bringt.

Sowohl für den Sirup als auch für das Hydrolat verwende ich übrigens die ganzen Blütenköpfe. Wer will, kann sich die mühsame Arbeit antun, die Blütenblättchen runterzufieseln, aber nach vielen Jahren der Löwenzahnblütenverwertung getraue ich mir zu sagen: Auch die weniger langwierige Verwendung der ganzen Blütenköpfe liefert schöne Ergebnisse.

Und für die seelische Balance lässt sich mit Hilfe der Sonnenmethode eine Blütenessenz herstellen. Löwenzahn-Essenz kommt dann zum Einsatz, wenn sich emotionale Zustände in Muskelverspannungen manifestieren, wenn der Stress (und damit oft Krämpfe und Verspannungen in der Nacken- und Schultermuskulatur) zunimmt oder etwa (wie ich einmal von einer Bachblüten-Expertin erfuhr) wenn sich jemand schwertut, Kritik an der Sache von Kritik an der Person zu unterscheiden.

In jüngerer Zeit ist Löwenzahn übrigens Gegenstand verschiedener Studien, die seiner Wirkung (vor allem die der Wurzel) bei Brustkrebs, Prostatakrebs und Leukämie sowie Hautkrebs nachgehen, angeblich mit vielversprechenden Ergebnissen. Anscheinend sind die Wirkstoffe der Löwenzahnwurzel in der Lage, zum Beispiel Leukämiezellen zu zerstören, indem sie den natürlichen Prozess der Apoptose auslösen, die entartete Zelle also dazu bringen, sich quasi selbst zu töten.  Na, ist das ein spannendes Pflänzchen?

So. Und wer jetzt bis hier durchgehalten hat, und dann immer noch hergeht und seinen Löwenzahn aus dem Garten wünscht, dem kann ich auch nicht helfen.